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Plastidenentwicklung

Betrachtet man die verschiedenen berechneten Stammbäume der Plastiden (Abb. 6.5, 6.11, 6.12 und 6.14), so wird bestätigt, daß die Plastiden sich wahrscheinlich aus einem gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben, den sie mit den Cyanobakterien teilen. Dies ist daraus ersichtlich, daß alle Plastiden eine monophyletische Gruppe innerhalb der heutigen Cyanobakterien bilden. Auch der Bootstrap-Wert von $100\%$ in allen Bäumen für den Ast, der die Cyanobakterien und Plastiden von den anderen in der Analyse betrachteten Bakterien trennt, läßt diesen Schluß zu.

Ebenfalls läßt sich aus den Bäumen entnehmen, daß alle einfachen Plastiden wahrscheinlich durch eine einzelne primäre Endosymbiose entstanden sind, da die Plastiden in allen vier Bäumen eine monophyletische Gruppe bilden. Auch die Bootstrap-Werte von $82\%$ (Abb. 6.11) bis $96\%$ (Abb. 6.12) bilden eine starke Unterstützung dieser Aussage.

Über die weitere Entwicklung in Bezug auf die Cyanellen, Chloroplasten und die anderen Plastiden läßt sich aus den Stammbäumen keine sichere Schlußfolgerung ziehen. Zwar zeigen drei der vier Bäume eine Abzweigung der Cyanellen vor der weiteren Entwicklung der anderen Plastiden, doch gibt es in keinem der Bäume eine sichere Unterstützung durch Bootstrap-Werte. Daher sollte die Entwicklung der Plastiden eher als Polytomie der drei nach der Analyse monophyletischen Gruppen Cyanellen, Chloroplasten und aller anderen Plastiden dargestellt werden. Die Ergebnisse geben die Grundlage für eine genauere Auflösung der Entwicklung nicht her.

Im Bereich der Chloroplasten zeigen die Plastiden der Pflanzen einen monophyletischen Ursprung innerhalb der Plastiden der Grünalgen, wobei sie mit den Chloroplasten der höher entwickelten Grünalgen, der Jochalgen, die schon pflanzenähnliche Strukturen bilden, eine monophyletische Gruppe innerhalb der Grünalgenplastiden bilden. In diesem Bereich der Stammbäume sind auch die Bootstrap-Werte relativ hoch, so daß nahezu jede Kante im Chloroplasten-Teilbaum einen Wert von über $70\%$ besitzt. Dies spricht für eine nähere Verwandtschaft der Jochalgen mit den Pflanzen als mit anderen Grünalgen.

Der interessanteste Bereich ist der Teilbaum, in dem die einfachen Plastiden (Rhodoplasten) der Rhodophyten (Rotalgen) und die komplexen Plastiden der Heterokontophyta, Haptophyta und Cryptophyta eine monophyletische Gruppe bilden. Die Monophylie dieser Gruppe hat gute Bootstrap-Unterstützung (ungewichtet: $81-83\%$, gewichtet: $74-82\%$). Innerhalb dieser Gruppe befinden sich weitere monophyletische Gruppen, die innerhalb der Rotalgen beginnen. Da diese monophyletischen Gruppen von komplexen Plastiden der Cryptophyta ($92-100\%$), Haptophyta ($100\%$) und Heterokontophyta ($80-97\%$) innerhalb der Rhodoplasten entstehen und die Gruppierung all dieser zu einer Gruppe ziemlich stark ist, liegt der Schluß nahe, daß alle diese komplexen Plastiden durch sekundäre endosymbiotische Aufnahme von Vorläufern der Rotalgen in diese Organismen entstanden sind.

Da alle diese Gruppen eigene Linien bilden, die innerhalb der Rhodoplasten entspringen, handelt es sich bei den komplexen Plastiden wahrscheinlich um unabhängig voneinander entstandene Plastidenlinien. Anderenfalls sollten diese Organismen einen einzelnen Ursprung innerhalb der Rhodoplasten haben.


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Heiko Schmidt
7/17/1997