Gesucht werden also Sequenzen, die in möglichst vielen Organismen vorkommen und auch bekannt sind. Zusätzlich sollten sie gut untersucht und leicht verfügbar sein. Eine Sequenz, die in den letzten Jahren eine große Rolle in der Stammbaumanalyse gespielt und gute Ergebnisse erzielt hat, sind die 16S- (Prokaryoten) und 18S-Sequenzen (Eukaryoten) aus der kleinen Untereinheit der Ribosomen (16S/18S rRNA).
Ein weiterer Vorteil ist, daß es sich bei rRNA um ein Molekül handelt, das in allen bisher untersuchten Organismen vorkommt, sehr gut untersucht ist und in großer Zahl in großen rRNA-Datenbanken wie in Antwerpen oder bei RDP (Ribosomal Database Project) abrufbar ist. Aufgrund des hohen Wissens über die Sekundärstruktur der rRNA ist es möglich, diese Sequenzen in den Datenbanken in alignierter Form abzulegen. In dieses Alignment ist neben dem Wissen um die Sequenz auch die Sekundärstruktur eingeflossen. In der Datenbank in Antwerpen sind zur Zeit etwa 1500 verschiedene 16S/18S rRNA-Sequenzen aligniert. Diese stammen aus allen Arten von Organismen wie Tieren, Pflanzen, Pilzen, Protisten, Archae- und Eubakterien, aber auch aus verschiedenen Organellen wie Mitochondrien, einfachen und komplexen Plastiden, sowie auch aus Nucleomorphen. Dieses gibt uns die Möglichkeit, viele Bereiche des Stammbaumes des Lebens zu untersuchen. (Olsen and Woese, 1993; Olsen et al., 1992; Van de Peer et al., 1994)
Für die rRNA-Sequenzen wurde außerdem noch kein Fall
von lateralem Gentranfer
gefunden, was für viele Gene nicht unüblich
ist, da es sich beim Eukaryotengenom höchstwahrscheinlich im ein
chimäres Gebilde handelt, das durch lateralen Gentransfer aus den
verschiedenen Organismen Gene aufgenommen hat. So sind einige Gene,
wie z.B. das einer Untereinheit einer mitochondralen
RNA-Polymerase, wahrscheinlich vom
Mitochondriengenom auf den Zellkern übergegangen und später im
Mitochondriengenom verloren gegangen.
(Lodish et al., 1995)
Aufgrund der oben angeführten Vorteile, wurden auch in dieser Arbeit Sequenzen von rRNA verwendet. Da keine Aussagen über genaue Zeiträume vorgenommen werden sollten, ist davon auszugehen, daß sich die in Kap. 1.7 beschriebenen Probleme, die sich aus der Benutzung von Multikopie-Genen ergeben können, bei den in dieser Arbeit ausgeführten Untersuchungen nicht auswirken.