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Ribosomale RNA und Stammbaumrekonstruktion

  Ein großes Problem bei der Wahl der Sequenzdaten für Stammbaumanalysen ist die Frage: Welche Sequenzen bzw. welche Gene enthalten die beste Information, um daraus einen realistischen Stammbaum zu konstruieren? Diese Frage ist schwer zu beantworten, da die Mutationsraten nicht nur zwischen unterschiedlichen Organismen, sondern auch zwischen verschiedenen Genen verschieden sind. So ist z.B. die Mutationsrate der Histone minimal, während sie bei anderen Genen besonders hoch ist. Weitere Probleme sind, daß erstens verschiedene Gene verschiedene Stammbäume unterstützen können (Saccone et al., 1995) und daß zweitens bestimmte Gene nicht in der interessanten Gruppe von Organismen existieren, bei denen bestimmte Phänomene untersucht werden sollen. Auch kann es Probleme geben, ein realistisches Alignment für das zu benutzende Gen zu finden.

Gesucht werden also Sequenzen, die in möglichst vielen Organismen vorkommen und auch bekannt sind. Zusätzlich sollten sie gut untersucht und leicht verfügbar sein. Eine Sequenz, die in den letzten Jahren eine große Rolle in der Stammbaumanalyse gespielt und gute Ergebnisse erzielt hat, sind die 16S- (Prokaryoten) und 18S-Sequenzen (Eukaryoten) aus der kleinen Untereinheit der Ribosomen (16S/18S rRNA).

Ein weiterer Vorteil ist, daß es sich bei rRNA um ein Molekül handelt, das in allen bisher untersuchten Organismen vorkommt, sehr gut untersucht ist und in großer Zahl in großen rRNA-Datenbanken wie in Antwerpen oder bei RDP (Ribosomal Database Project) abrufbar ist. Aufgrund des hohen Wissens über die Sekundärstruktur der rRNA ist es möglich, diese Sequenzen in den Datenbanken in alignierter Form abzulegen. In dieses Alignment ist neben dem Wissen um die Sequenz auch die Sekundärstruktur eingeflossen. In der Datenbank in Antwerpen sind zur Zeit etwa 1500 verschiedene 16S/18S rRNA-Sequenzen aligniert. Diese stammen aus allen Arten von Organismen wie Tieren, Pflanzen, Pilzen, Protisten, Archae- und Eubakterien, aber auch aus verschiedenen Organellen wie Mitochondrien, einfachen und komplexen Plastiden, sowie auch aus Nucleomorphen. Dieses gibt uns die Möglichkeit, viele Bereiche des Stammbaumes des Lebens zu untersuchen. (Olsen and Woese, 1993; Olsen et al., 1992; Van de Peer et al., 1994)

Für die rRNA-Sequenzen wurde außerdem noch kein Fall von lateralem Gentranfer[*] gefunden, was für viele Gene nicht unüblich ist, da es sich beim Eukaryotengenom höchstwahrscheinlich im ein chimäres Gebilde handelt, das durch lateralen Gentransfer aus den verschiedenen Organismen Gene aufgenommen hat. So sind einige Gene, wie z.B. das einer Untereinheit einer mitochondralen RNA-Polymerase, wahrscheinlich vom Mitochondriengenom auf den Zellkern übergegangen und später im Mitochondriengenom verloren gegangen. (Lodish et al., 1995)

Aufgrund der oben angeführten Vorteile, wurden auch in dieser Arbeit Sequenzen von rRNA verwendet. Da keine Aussagen über genaue Zeiträume vorgenommen werden sollten, ist davon auszugehen, daß sich die in Kap. 1.7 beschriebenen Probleme, die sich aus der Benutzung von Multikopie-Genen ergeben können, bei den in dieser Arbeit ausgeführten Untersuchungen nicht auswirken.


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Heiko Schmidt
7/17/1997