Stammbaumanalysen sind ein wichtiges Hilfsmittel, um die Entstehung heute bestehender Phänomene zu untersuchen und diese besser zu verstehen. In dieser Arbeit ist es gelungen eine statistische Methode, basierend auf dem Maximum-Likelihood-Ansatz, zur Rekonstruktion phylogenetischer Stammbäume aus DNA-Sequenzen für die Anwendung auf größere Datensätze als solche mit 10 bis 15 Sequenzen nutzbar zu machen. Hierzu wurde das erprobte Computerprogramm fastDNAml für die Nutzung von Parallelcomputern parallelisiert. Das erhaltene Programm pfastDNAml liefert für große Datensätze einen guten Speedup bei der Nutzung einer unterschiedlichen Anzahl von Knoten auf Parallelrechnern.
Mit diesem Programm ist es nun möglich, umfangreiche Untersuchungen mit Sequenz-Alignmentdaten durchzuführen, die vorher nicht im gleichen zeitlichen Rahmen möglich gewesen wären. Die Berechnung eines Stammbaumes, der mit 34 Prozessoren der SP2 30 Minuten benötigt, würde auf einem vergleichbar starken Rechner bei sequentieller Berechnung über 12 Stunden dauern.
Mittels pfastDNAml ist es nun auch möglich, Bootstrap-Analysen mit der ML-Methode durchzuführen, die vorher aus Zeitgründen nicht oder mit anderen Methoden durchgeführt worden wären.
Die durchgeführten Analysen stützen die Untersuchungen von Bhattacharya and Ehlting (1995) über die unabhängige Entstehung der einzelnen Aktinfamilien, die hier mit der ML-Methode untersucht wurden.
Auch konnte gezeigt werden, daß die 1/S-Gewichtungsmethode kein brauchbares Mittel ist, um aus der dritten Codon-Position gegen die hohen Schwankungen im G+C-Gehalt noch brauchbare Information für Stammbaumanalysen herauszufiltern.
Ebenfalls konnte keine Verbesserung der Aussagekraft der benutzten 16S rRNA-Alignments durch die Benutzung dieser Gewichtungsmethode festgestellt werden. Die Möglichkeit, kurze interne Kanten aufzulösen, wurde eher schlechter.
Die Untersuchung von 18S rRNA-Sequenzen aus dem Zellkern von Eukaryoten, ließ keine sicheren Schlüsse über die Entwicklung der plastidentragenden Eukaryoten zu. Es wurden allerdings alle größeren Eukaryotenlinien als monophyletisch bestätigt.
Die wichtigsten Ergebnisse ließen sich im Bereich der Plastidenentwicklung finden. Es wurde nun auch durch die Maximum-Likelihood-Methode bestätigt, daß die Plastiden wahrscheinlich monophyletisch von frühen Cyanobakterien abstammen und wahrscheinlich durch eine einzelne primäre Symbiose entstanden sind. Ein weiteres wichtiges Ergebnis war, daß die unterschiedlichen komplexen Plastiden eine monophyletische Gruppe mit den Rhodoplasten der Rotalgen bilden; d.h. die verschiedenen hier betrachteten komplexen Plastiden sind wahrscheinlich Nachkommen von frühen Rhodophyten, die durch mehrere sekundäre Endosymbiosen in andere Eukaryoten aufgenommen und mit der Zeit zu Organellen reduziert wurden. Diese Ergebnisse werden durch gute Bootstrap-Werte erhärtet, die durch Bootstrap-Analysen mit der Maximum-Likelihood-Methode ermittelt wurden.
Der monophyletische Ursprung der einfachen Plastiden, der in den Analysen mit 16S rRNA unterstützt wurde, konnte mit den Analysen von 18S rRNA nicht auf der Ebene der eukaryotischen Wirtsorganismen bestätigt werden. Bei Untersuchungen mit Aktinsequenzen ließen sich ebenfalls Indizien für einen monophyletischen Ursprung der einfachen Plastiden finden. Hiermit konnte ein Weg aufgezeigt werden, auf dem wahrscheinlich weitere aussichtsreiche Untersuchungen in diesem Bereich möglich sind.