Das Erbgut oder Genom wird bei jeder Zellteilung semikonservativ verdoppelt. D.h. an jedem der beiden Stränge einer Doppelhelix wird durch DNA-Polymerasen ein neuer komplementärer DNA-Strang synthetisiert, so daß nach der Verdoppelung in jedem der beiden dann vorliegenden Helizes ein alter und ein neuer DNA-Strang enthalten sind. Die beiden so entstandenen Kopien des Genoms werden dann während der Zellteilung auf die beiden Tochterzellen verteilt. (Knippers, 1995; Lewin, 1994)
Das Genom ist aus unterschiedlichen Gründen verschiedenen Veränderungen (Mutationen) unterworfen. Bei Genom-Mutationen finden drastische Veränderungen des gesamten Genoms statt, z.B. Veränderungen der Chromosomenzahl wie etwa der Trisomie. Weiterhin treten Chromosomen-Mutationen auf, die die Struktur eines Chromosoms nachhaltig verändern, wie
Auf Sequenzebene treten, vor allem durch Fehler während der DNA-Replikation, Punktmutationen auf, die die DNA-Sequenzen in ihrer Basenfolge punktuell verändern. Die bekannten Mutationstypen hierbei sind:
Insertionen und Deletionen werden oft unter dem Oberbegriff Indel
zusammengefaßt. Substitutionen sind der am häufigsten auftretende
Mutationstyp. Bei Untersuchungen an Teilen des lac I -Gens
wurde gefunden, daß es sich bei ca. der spontanen Mutationen
in diesem Gen um Basensubstitutionen handelt.
Substitutionen gliedern sich in zwei verschiedene
Typen, je nachdem ob eine Base durch eine andere desselben oder
unterschiedlichen Typs ersetzt wird. Wird eine Purinbase durch eine
Purinbase (
) oder eine Pyrimidinbase durch eine
Pyrimidinbase (
) ersetzt, so spricht man von
einer Transition. Bei der Ersetzung einer Purinbase durch eine
Pyrimidinbase oder umgekehrt (
)handelt es sich um eine Transversion. (Knippers, 1995; Stryer, 1988)
Mutationen können z.B. bei der Replikation durch Polymerasen spontan durch Fehleinbau organischer Basen entstehen. Dies kann durch Tautomerien der organischen Basen ausgelöst werden, bei diesen können durch Protonenverschiebungen z.B. Ketogruppen in die Enolform oder Aminogruppen in eine Iminoform übergehen. Durch diese Tautomerien sind die Basen dazu in der Lage, Wasserstoffbrücken mit einer anderen als der normalerweise bevorzugten Base auszubilden. Diese Tautomere liegen im Gleichgewichtszustand zu einem sehr geringen Anteil (ca. 10-4) in der DNA vor. (Stryer, 1988)
Der Vorgang der Replikation verläuft, durch verschiedene Reparaturmechanismen unterstützt, mit erstaunlich wenigen Fehlern ab. Die Mutationen können neben dem schlichten Fehleinbau auch durch äußere Einflüsse ausgelöst werden. Sogenannte Mutagene können Veränderungen an der DNA verursachen, die zu einem veränderten Bindungsverhalten der Basen führen können. Dadurch entstehen in den DNA-Sequenzen Fehlpaarungen, sogenannte Mismatches. Für solche Mismatches existieren Reparaturmechanismen, die ungepaarte Bereiche auf der DNA erkennen und anschließend korrigieren. Hierbei kann es allerdings passieren, daß die falsche der beiden Basen korrigiert wird und so die Mutation erhalten bleibt. (Knippers, 1995; Lodish et al., 1995)
Weitere Möglichkeiten zur Entstehung von Mutationen sind Depurinierungen und Depyrimidinierungen, bei denen eine organische Base von der DNA abdissoziiert, oder die Bildung von Dimeren zwischen Basen durch Einwirkung von UV-Licht. Am häufigsten sind hierbei Thymidindimere zu beobachten. Auch für diese Mutation haben sich in der Zelle Reparaturmechanismen entwickelt. (Knippers, 1995)
Viele Mutationen werden korrigiert. Die Mutationen aber, die falsch oder nicht rechtzeitig korrigiert werden, manifestieren sich spätestens bei der nächsten DNA-Replikation, sofern sich die Zelle noch teilt, und werden an die Nachfolgezellen weitergegeben. Bei einzelligen Organismen, werden solche Mutationen unmittelbar an die Nachkommen oder die Geschlechtszellen weitergegeben. Bei mehrzelligen Organismen dagegen müssen Mutationen in der Keimbahn auftreten, um an die Nachkommen weitergegeben zu werden. Keimbahnzellen sind solche Zellen, in deren Nachkommenschaft sich Geschlechtszellen befinden. Mutationen die in somatischen Zellen auftreten wirken sich zwar eventuell auf den Organismus aus, werden aber nicht weitervererbt. (Alberts et al., 1994; Knippers, 1995)
Die grundlegenden Annahmen der Genetik sind, daß Mutationen zufällig und ungerichtet auftreten und daß Mutanten durch natürliche Selektion begünstigt werden, wenn sie dem betroffenen Organismus einen Vorteil gegenüber dem nichtmutierten Organismus bringen. Außerdem setzen sich Mutationen, die dem Organismus Nachteile bringen, nicht durch, wenn sie die Lebensfähigkeit des betroffenen Organismus herabsetzen. Dieser Vorgang nennt sich Selektion. Ein drastisches Beispiel sind Letalmutanten, die mit dieser Mutation nicht überlebensfähig sind. (Knippers, 1995)
Viele Mutationen manifestieren sich in Bereichen der DNA, auf die kein oder nur geringer Selektionsdruck wirkt. Solche Sequenzen, wie z.B. nichtkodierende Bereiche, die auch sonst keine erkennbare Funktion haben, sind im allgemeinen für Stammbaumanalysen ungeeignet, da sie zu schnell mutieren können. Dagegen werden Sequenzen, die für Funktionen kodieren, durch den Selektionsdruck stabilisiert. Die Veränderungen solcher Sequenzen können genutzt werden, um Stammbaumanalysen durchzuführen.