Jetzt wird der eigentliche Teil der ML-Methode benutzt. Es wird versucht, die Kantenlängen der vorgegebenen Phylogenie so zu schätzen, daß der Likelihood-Wert sein Maximum erreicht.
Hierzu optimiert man jede Kante v einzeln, indem man die Wurzel unmittelbar an einen der an diese Kante v angrenzenden Knoten verschiebt. Die anderen Kanten werden während dieser Optimierung festgehalten.
Betrachtet man den Likelihood-Wert als Funktion dieser Kante, so muß an der Stelle des Maximums die partielle Ableitung nach dieser Kante
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Früher wurde zum Auffinden des Maximums der Expectation-Maximization-Algorithmus (EM-Algorithmus) verwendet. Dieser wurde jedoch aus Zeitersparnisgründen durch die Newton-Raphson-Methode ersetzt (Olsen et al., 1994a).
Die Newton-Raphson-Methode (oder Newton-Methode) wird benutzt, um den Schnittpunkt einer Funktion mit der x-Achse mit Hilfe der ersten und zweiten Ableitung zu finden.
Geometrisch betrachtet, berechnet man an einem Startpunkt die Tangente zur Funktion, in unserem Fall die oben genannte partielle Ableitung. Man findet zu dieser Tangente den x-Achsenabschnitt und beginnt an diesem Punkt wieder mit der Tangente, bis die Nullstelle gefunden wurde. Die Newton-Raphson-Methode konvergiert quadratisch und ist daher ein schnelleres Verfahren. Diese Geschwindigkeit wird allerdings durch gewisse Fehlermöglichkeiten erkauft. (Press et al., 1988)
Auch im PHYLIP-Programmpaket wurde inzwischen der EM-Algorithmus durch die Newton-Raphson-Methode ersetzt, was für die Akzeptanz dieser Methode spricht.